Zukunft braucht Herkunft – Ursprung des IWT
Seit 1950 wird am Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien — IWT in Bremen an hochbeanspruchten metallischen Strukturwerkstoffen geforscht. Doch die Geschichte des Leibniz-IWT reicht zurück bis in die 1940er Jahre.
Damals basierten die industriell angewandten Wärmebehandlungsverfahren und die zugehörige Wärmebehandlungstechnik in Deutschland weitestgehend auf empirischen, nicht wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Industriebetriebe standen vor der Frage, wie werkstoffbedingtes Versagen von Bauteilen verhindert werden kann.
Paul Riebensahm, Professor an der Technischen Hochschule Berlin, organisierte im November 1941 das erste Härtereikolloquium (HK), um eine Plattform für den Austausch von Expertinnen und Experten aus Praxis und Wissenschaft auf dem Gebiet der Werkstofftechnik und Wärmebehandlungstechnologie zu schaffen. Bis heute findet mit dem HärtereiKongress der AWT, dem Nachfolger des Härtereikolloquiums, eine jährliche internationale Fachkonferenz für Wärmebehandlung und Werkstofftechnik statt. Gleichzeitig baute Prof. Riebensahm mit seinem Assistenten Walter Stuhlmann sein Versuchsfeld für Härterei-Technik in Berlin mit Experimenten und Fortbildungsprogrammen aus. 1943 wurde das Versuchsfeld während des Zweiten Weltkrieges zum Schutz vor Luftangriffen von Berlin nach Bremen verlagert. Nach dem Kriegsende wurde das Versuchsfeld in die Produktionswerke der Automobilfabrik Borgward in Bremen-Sebaldsbrück umgesiedelt.
Die Anfänge: Gründung des IHT
Am 13. Juli 1950 wurde in Bremen-Lesum das Institut für Härterei-Technik (IHT) als Vorläufer des heutigen Leibniz-IWT unter der kommissarischen Leitung des Oberingenieurs der Firma C. Borgward, Hubert M. Meingast, gegründet.
Seit dem 01. August 1954 war Professor Otto Schaaber für insgesamt 27 Jahre Direktor des IHT. Mitte der 1950er Jahre bestand das Institut aus sechs wissenschaftlichen Mitarbeitenden sowie 14 technischen Angestellten und Schreibkräften und erzielte schon bald weltweiten Erfolg auf dem Gebiet der Wärmebehandlung von Metallen mit einem neuen Borierverfahren zur thermochemischen Randschichthärtung von Stahl.
Umwandlung in eine Stiftung und Kooperation mit der Universität Bremen
1975 wurde das IHT in die „Stiftung Institut für Härterei-Technik“ umgewandelt. Als Stiftung privaten Rechts wird das IHT bzw. das spätere IWT seitdem vom Land Bremen sowie der Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik (AWT) gefördert.
1981 schloss das IHT einen Kooperationsvertrag mit der neu gegründeten Universität Bremen. Nach dem Tod von Otto Schaaber 1981 wurde Prof. Dr.-Ing. habil. Peter Mayr neuer Institutsleiter. Unter Prof. Mayr entstand eine enge Zusammenarbeit mit dem 1983 gegründeten Fachbereich Produktionstechnik an der Universität Bremen, die bis heute besteht. Dort lernte Prof. Mayr u.a. Prof. Klaus Bauckhage aus dem Forschungsgebiet der
und Prof. Günther Werner aus der kennen.Zu dieser Zeit wurde im Vorstand und im wissenschaftlichen Beirat der Stiftung intensiv diskutiert, welche möglichen thematischen Erweiterungen die langfristige Zukunftsfähigkeit des Instituts sichern könnten. Unter Bewertung der industriellen Bedarfe sollten auch fertigungstechnische und verfahrenstechnische Aspekte mit berücksichtigt werden. Eine Umsetzung dieser Vorstellung bot sich im universitären Umfeld des Fachbereichs Produktionstechnik an, der eines hinreichend großen Neubaus auf dem Universitätscampus bedurfte. Aufgrund des starken Engagements der Industrie fanden in der Folge viele Gespräche des Bremer Senats mit Vertretungen der Industrie statt, die im Herbst 1985 in einem Gespräch zwischen Bürgermeister Hans Koschnik und dem Daimler-Benz Produktionsvorstand Prof. Werner Niefer zum Durchbruch führten. Die vertraglichen Grundlagen zur Überführung des Instituts in die „Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT)“ sowie die Voraussetzungen für einen Neubau wurden geschaffen.
Am 24. März 1986 wurde die bis heute einmalige interdisziplinäre Struktur des späteren Leibniz-IWT, welche die drei Disziplinen Werkstoff-, Verfahrens- und Fertigungstechnik vereint, begründet. Das IHT erhielt den neuen Namen „Stiftung Institut für Werkstofftechnik“, kurz IWT. Dabei gehörte es zum Grundverständnis der neu gegründeten Stiftung IWT, dass die Ausgestaltung der zusätzlichen Forschungsbereiche möglichst in Personalunion von Hochschullehrenden des Fachbereichs Produktionstechnik erfolgen sollte. Aus diesen Überlegungen schließlich die Definition der drei Hauptabteilungen des Instituts, jeweils geleitet von einem Direktor, der gleichzeitig Hochschullehrer im Fachbereich Produktionstechnik an der Universität Bremen war.
Das IWT wächst: Gebäude im Technologiepark und Angliederung von MPA und LFM
Zum 01. Januar 1987 wurde die Amtliche Materialprüfungsanstalt der Freien Hansestadt Bremen (MPA Bremen) als Geschäftsbereich des IWT in der Bremer Neustadt errichtet, hervorgegangen aus dem Bremer Landesamt für Baustoffprüfung.
1990 gliederten die Professoren Mayr, Werner und Bauckhage das Institut auch räumlich in Universitätsnähe mit einer neuen Laborlandschaft im Technologiepark Bremen ein.
Neben dem ursprünglich alleinigen Arbeitsgebiet Werkstofftechnik entwickelte die Verfahrenstechnik mit dem Sprühkompaktieren ein spezielles Kompetenzfeld, das zur Etablierung eines Sonderforschungsbereiches der DFG führte. Die Fertigungstechnik griff unter der Leitung von Prof. Brinksmeier das aktuelle Thema der Hochpräzisionsbearbeitung auf und entwickelte es so erfolgreich weiter, dass im Jahre 2000 ein zusätzliches Labor für Mikrozerspanung (LFM) bezogen werden konnte.
Mit den drei Hauptabteilungen stiegen auch die Mitarbeiterzahlen von kontinuierlich 40 auf zunächst 150 im Jahr 2000. 2018 beschäftigte das Institut 209 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 84 wissenschaftliche Mitarbeitende.
Die enge Kooperation der drei Hauptabteilungen ermöglicht es, systematisch die gesamte Produktionskette von der Herstellung des Ausgangsmaterials bis zur fertigen Komponente, z.B. gehärtetes Zahnrad lückenlos nachzuvollziehen und unter sowohl grundlagen- als auch anwendungsorientierten Gesichtspunkten zu erforschen. Die Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen bis zum Anwendungsbezug nehmen breiten Raum bei den Arbeiten des IWT ein, was sich auch in der Finanzierung des Institutshaushalts ausdrückt: ein Teil des Budgets werden über Drittmittel finanziert. Projekte werden dabei sowohl direkt von der Industrie eingeworben als auch im Rahmen von Vorhaben der Grundlagenforschung und der industriellen Gemeinschaftsforschung. Wichtige Kooperationspartner sind in diesem Zusammenhang die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und die ihr untergeordnete Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), die durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wird, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die Europäische Gemeinschaft.
Neueste Entwicklungen und Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft
Am 01. Januar 2018 wurde das „Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien – IWT“ offiziell in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen. Der Aufnahme ging eine mehrjährige Vorbereitungs- und Planungsphase sowie Evaluierungen durch Gremien der Leibniz-Gemeinschaft und des Wissenschaftsrates voraus. Die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft wurde am 30. Januar 2018 mit einem Senatsempfang in der Oberen Rathaushalle des Bremer Rathauses gebührend gefeiert.
Am 15. März 2020 wurde dem Leibniz-IWT das Zertifikat zum audit berufundfamilie erteilt. Der Erhalt des Siegels bedeutet, dass die vom Leibniz-IWT im Auditverfahren erarbeitete Zielvereinbarung den hohen Standards der berufundfamilie Service GmbH entspricht.
Zertifikat "audit berufundfamilie"
Am 13. November 2020 erfolgte die Entscheidung zur Aufnahme der MPA in die Leibniz-Gemeinschaft durch die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK).