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Das Beanspruchungs- und Funktionsverhalten eines Bauteils wird maßgeblich durch dessen chemischen, physikalischen und mechanischen Eigenschaften beeinflusst.

Die Kenntnis dieser Eigenschaften ist somit eine entscheidende Voraussetzung für das Verständnis und die Optimierung wärmebehandelter, bearbeiteter oder beschichteter Bauteile aus hochfesten Strukturwerkstoffen. Demzufolge sind die Anwendung und die Weiterentwicklung physikalischer Untersuchungsmethoden zur Charakterisierung der Mikrostruktur und der Eigenspannungszustände Schwerpunkte der Forschung innerhalb der Abteilung.

Zu den Messmethoden zählen insbesondere die optische Emissionsspektroskopie, die röntgenographischen Feinstruktur-Messverfahren und die mikromagnetischen Verfahren. Die Möglichkeiten der Großforschungseinrichtungen (Neutronen,- und Synchrotronstrahlung) werden ebenfalls in den Forschungsaktivitäten der Abteilung eingesetzt. Die Weiterentwicklung und Anwendung von In-situ-Röntgenbeugungsmethoden bilden dabei einen wichtigen Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten der Abteilung Physikalische Analytik.

 

Physikalische Analytik ist stark experimentell ausgerichtet

Die Abteilung Physikalische Analytik ist stark experimentell ausgerichtet und verfügt über 20 moderne Röntgendiffraktometer für Feinstrukturanalysen welche für verschiedene Anwendungsfälle optimiert sind. Diese ermöglichen unter anderem, Untersuchungen mit hoher Ortsauflösung durch Mikrostrahl-Optik, Analysen von Dünnschichten unter streifendem Einfall, Messungen von Großbauteilen und in Fertigungsanlagen durch zwei mobile Diffraktometer sowie Untersuchungen mit hoher Zeitauflösung für In-situ-Experimente. Ergänzend werden unterschiedliche Methoden mit Neutronen,- und Synchrotronstrahlung in den Forschungsvorhaben der Abteilung eingesetzt und weiterentwickelt.

Die resultierenden Werkstoffzustände, insbesondere die Eigenspannungen, werden nach unterschiedlichen Fertigungsverfahren im Rahmen von diversen Projekten, teilweise mit externen Kooperationspartner, mit den vorhandenen Messverfahren analysiert. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms SPP2013 werden aktuell die Mechanismen der Eigenspannungsentstehung beim Rundkneten untersucht, um die Bauteileigenschaften gezielt zu optimieren.

In-situ-Röntgenbeugungsmethoden im Labor und an Großforschungseinrichtungen

Die Erforschung und Anwendung von In-situ-Röntgenbeugungsmethoden im Labor und an Großforschungseinrichtungen bilden einen wesentlichen Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten der Abteilung Physikalische Analytik. Aktuell werden verschiedene Prozesse unter Nutzung von Laborröntgenquellen grundlegend untersucht, wie beispielsweise Anlasseffekte in unterschiedlichen Stählen oder die Ausbildung von Verbindungschichten beim Nitrieren. Dabei werden sowohl Grundlagenaspekte zu ablaufenden werkstoffphysikalischen Mechanismen untersucht, als auch neuartige Messverfahren für zukünftige Sensoren für Prozessüberwachung in industriellen Prozessen entwickelt.

Ergänzend zu den Laborverfahren werden verschiedene Experimente an Synchrotronanlagen durchgeführt. So konnte an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) die Entwicklung von hydrostatischen Spannungen im (Rest-)Austenit bei der martensitischen Umwandlung während des Abschreckens zeitlich verfolgt und erstmalig experimentell nachgewiesen werden. Die Anwendung von Synchrotronstrahlung zur In-Prozess-Untersuchung von Gefüge- und Spannungsentwicklung wurde in den letzten Jahren auf weitere Prozesse ausgedehnt. Im Rahmen des "SFB TRR 136 „Prozesssignaturen“ wurde ein Festwalzprozess nachgebildet und durch verschiedene experimentelle Ansätze am Synchrotron (ESRF) und mit Neutronenstrahlung am Institut Laue-Langevin (ILL) analysiert. Die ermittelten 2-dimensionalen Spannungs- und Dehnungsverteilungen  konnten genutzt werden, um Prozesssignaturen für eine prozessunabhängige Vorhersage der Eigenspannungsverteilungen beim Festwalzen zu erarbeiten.

Mikromagnetische Verfahren bilden einen weiteren Forschungsschwerpunkt

Aktuelle Forschungsaktivitäten zur Anwendung von Synchrotronstrahlung für In-Prozess Untersuchungen laufen derzeit auf den Gebieten der additiven Fertigung mittels Laser-Pulver-Auftragsschweißen oder bei thermo-mechanischen Prozessen wie die kontinuierliche Bainitisierung von geschmiedeten Stählen im Rahmen des Bragecrim-Programms der DFG am Deutschen Elektronen-Synchrotron im Hamburg (DESY). Darüber hinaus wird aktuell die Niederdruckaufkohlung mithilfe eines selbst-entwickelten Versuchsaufbaus mit Synchrotronstrahlung in-situ untersucht. Dabei wird die lokale Mikrostruktur- und Spannungsentwicklung orts- und zeitaufgelöst analysiert.

Mikromagnetische Verfahren bilden einen weiteren Forschungsschwerpunkt mit grundlagen- und anwendungsorientierte Fragestellungen, um zuverlässige zerstörungsfreie Analysen von Werkstoffeigenschaften und Randschichtzuständen zu ermöglichen. Es wurden bereits neue Ansätze zur tiefenabhängigen Erfassung von Eigenspannungen und Härte auf Basis von frequenzabhängigen Signalerfassungen- und Auswertungen untersucht. Die Möglichkeiten eines Barkhausen-Wirbelstrommikroskops zur schnellen Erfassung von Werkstoff- und Bauteileigenschaften auf Mikroskala werden derzeit im Rahmen des "SFB 1232 „Farbige Zustände“ ertüchtigt und weiterentwickelt. Schließlich werden neue Ansätze zur zerstörungsfreien Prüfung von Schleifbrand in der industriellen Fertigung erarbeitet und  im Rahmen von bilateralen Forschungsprojekten mit der Industrie direkt in die Praxis umgesetzt.

Darüber hinaus werden innerhalb des Schwerpunktprogramms SPP2086 neue Strategien erarbeitet, um die Anwendung dieser Messtechnik in Schleifanlagen zu ermöglichen.